Zwanzig Lewa oder tot by Karl-Markus Gauß

Zwanzig Lewa oder tot by Karl-Markus Gauß

Autor:Karl-Markus Gauß
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Carl Hanser Verlag
veröffentlicht: 2017-02-01T00:00:00+00:00


2

Ein paar Jahre später stieß ich in einem Buch, das viele schauerliche Passagen hat, auf die Geschichte eines Sammlers, der in Zagreb seiner schauerlichen Leidenschaft frönte. Veröffentlicht hat sie 1944, kaum dass Italien befreit wurde, der italienische Schriftsteller, Reporter, Kriegsheld, Faschist, Antifaschist, Kommunist und Dandy Curzio Malaparte in seinem Kriegsbuch »Kaputt«. In Form eines Romans reiht er darin mit kalter Expressivität verfasste Reportagen aneinander, die von den Gräueln des Kriegs berichten, und mittendrin in dem grausamen Geschehen, das sich wie zwischen eigens für ein Theater des Schreckens aufgestellten Kulissen ereignet, ist immer er selbst zu finden, der Verfasser, der sich in seinem Buch als Haudegen und Humanist inszeniert. Der Sohn eines deutschen Ingenieurs und einer Italienerin hieß eigentlich Kurt Erich Suckert, zog aber schon mit sechzehn Jahren freiwillig gegen die Deutschen und Österreicher in den Ersten Weltkrieg, ein überspannter wie genialischer Jüngling, der, verwundet und hochdekoriert heimgekehrt, zu den Faschisten der ersten Stunde gehören würde. Obwohl diese ihn mit Posten, Ruhm, Geld versahen, verzichtete er bald auf das alles und kritisierte seine Kombattanten, die ihn darauf in die Verbannung schickten. Auf ewig wollten sie aber doch nicht auf seine Dienste verzichten, sodass er bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs von ihnen mit allen Privilegien des literarischen Herrenmenschen ausgestattet und als Kriegsberichterstatter auf die Schlachtfelder und in die Kommandozentralen der Feldherren geschickt wurde. In halboffizieller Mission unterwegs, hat Malaparte viele der Gewaltigen und Verbrecher des Krieges aus der Nähe kennengelernt und freundschaftlichen Umgang mit ihnen gepflegt.

Einer von ihnen war der Poglavnik Ante Pavelić, der Führer der kroatischen Ustasche, jener Mordgarden, die 1941 einen kroatischen Staat von Hitlers Gnaden errichteten, in dem sie sogleich auf die seit Menschengedenken mit ihnen lebenden Serben, Juden, Zigeuner Jagd machten und mit fanatischer Grausamkeit gerade die Kroaten massakrierten, die sich ihrem nationalistischen Wahn entzogen. Malaparte schildert in »Kaputt« eine Begegnung mit dem Poglavnik in dessen Residenz in der Oberstadt von Zagreb. Während Ante Pavelić dem Reporter aus dem befreundeten Italien die Lage der Nation und der Welt erklärte, fiel dessen Blick auf eine Schale, die auf dem Schreibtisch des Führers stand. Es ist dämmerig im engen Raum, der von der volltönenden Stimme des uniformierten Poglavnik ausgefüllt wird, aber der Raum und die Stimme ziehen sich vor dem Besucher zurück, sie entrücken, bis dieser nichts mehr wahrnimmt als diese Schale, die mit dunklen runden Früchten gefüllt ist, vielleicht mit Johannisbeeren oder Trauben. Erst nach einer Weile erkennt er, dass die Schale, die Pavelić manchmal ein wenig verrückt, um auf seinem Tisch eine besondere Ordnung der Dinge herzustellen, nicht mit Früchten gefüllt ist, sondern mit Augen, mit Augen, die den von den Ustasche zu Tode gefolterten Gefangenen ausgestochen und dem Poglavnik als Geschenk übersandt wurden.

Das Buch ging um die Welt, Malaparte, von Haus aus wohlhabend, wurde steinreich. In der letzten seiner jähen Kehren, mit denen er seine Verehrer zuverlässig vor den Kopf zu stoßen pflegte, wurde er, was ihm in seiner Sammlung politischer Überzeugungen noch gefehlt hatte, endlich Kommunist, sodass er, als er 1957 ans Sterben kam, zum Entsetzen der Freunde und Feinde sein gesamtes Vermögen der Volksrepublik China vermachte.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.